Mar 2, 20219 Minute/n Lesedauer

Im Interview mit Beshu Books.

von Giulia Ricci

Frauen im Verlagswesen.
Klarna präsentiert die Gründerinnen von Beshu Books.

Shila Behjat und Antonia Schulemann sind zwei Medienmacherinnen und die Gründerinnen des Boutique Verlags Beshu Books. Mit ihrem Business verfolgen die beiden ein innovatives Verlagskonzept: die Verschmelzung von Beratung und Verlagsgeschäft mit angeschlossenem Buchverkauf in Berlin-Mitte. So entwickeln sie einerseits kreative Konzepte, wie Unternehmen sich mit Büchern positionieren können, und produzieren andererseits Sachbücher und Belletristik Werke, die den Zeitgeist treffen. Wie das? Ihre Bücher sind mit 120-130 Seiten in 90 Minuten zu lesen und treffen somit die aktuellen Bedürfnisse der digitalen Zielgruppe – relevante Inhalte in Spielfilmlänge. Ein geniales Konzept, das jede*n Lesefaule*n wieder hinter die Papierseiten bringt. Nicht so einfach hingegen kann der Weg für Frauen sein, in der Verlagswelt Fuß zu fassen.

Wir haben die beiden Frauen (virtuell) getroffen und wollten von ihnen anlässlich des Weltfrauentages wissen, warum es für Frauen immer noch schwer ist im Verlagswesen zu gründen, wie sie das Thema “Gender” in der Verlagsbranche wahrnehmen, welche Rolle Bücher in unserer heutigen Gesellschaft spielen und welches Buch bei ihnen gerade auf dem Nachttisch liegt.

Wann ist euch das erste Mal der Gedanke gekommen, einen eigenen Verlag zu gründen?
Shila: Witzigerweise ziemlich genau zeitgleich. Ungefähr vor zwei Jahren. Da kannten wir uns aber überhaupt nicht. Die Beweggründe waren bei uns auch sehr ähnlich gelagert. Wir lieben beide Bücher und sind passionierte Medienmacherinnen. Aber in unseren Jobs ging es mehr und mehr um ganz andere Richtwerte als starke Impulse zu setzen.

In vielen Artikeln über Beshu Books wird immer wieder betont, dass ihr zwei Gründerinnen seid. Habt ihr das Gefühl, das ist oder war für euch ein großes Thema? Wie nehmt ihr die Rolle von Frauen im Verlagswesen wahr?
Antonia: Ob es für uns ein großes Thema ist, sei dahin gestellt. Aber es ist natürlich in der Wahrnehmung ein großes Thema. Autorinnen, Lektorinnen und Redakteurinnen haben die Verlagswelt stark geprägt, inhaltlich, kreativ, trotz der vorherrschenden Stereotype und Benachteiligungen. Aber immer da, wo das höhere Management sitzt, wird die Anzahl plötzlich verschwindend gering.
Shila: Frauen gehört die Hälfte des Himmels – auch in der Verlagswelt.

Wieso brauchen wir mehr Gründerinnen – unter anderem in Verlagen?
Antonia: Generell braucht es mehr Gründerinnen, weil wir mehr Sichtbarkeit ihres Muts brauchen. Und das bezieht sich nicht nur auf die Verlagsbranche, sondern letztlich auf alle Branchen.
Shila: Im Moment ist es doch so: Frauen machen Content für Frauen, werden immer so typlogisiert. Männer machen Content für alle. Oder denken Sie das ein männlicher Chefredakteur nur die Männer adressiert? Davon müssen wir wegkommen. Und das gelingt nur, wenn wir uns mehr und mehr daran gewöhnen, dass Frauen gestalten.

Glaubt ihr, für Frauen ist es generell schwerer im Verlagswesen zu gründen?
Antonia: So wie in fast allen Branchen gibt es auch im Verlagswesen noch viel zu tun. Gefühlt könnte man meinen, weibliche Verlegerinnen gäbe es doch zahlreiche. Oft sind es die Töchter oder die Ehefrauen (beispielsweise Springer, Bauer, Gruner+Jahr), die vom Firmenpatriarch als Gesellschafterinnen eingesetzt wurden. Was das Gründen eines Verlag angeht, stoßen wir auf ähnliche Zahlen wie in der Startup-Welt: Rein weibliche Gründungsteams gibt es einfach immer noch viel zu wenige.
Shila: Hinzu kommt, dass Content von Frauen auch immer als Content für Frauen wahrgenommen oder so erwartet wird. Natürlich haben wir einen weiblichen Touch bei allem, was wir tun. Aber das bedeutet nicht, dass wir nur für Frauen publizieren. Sondern für alle Menschen, die sich mit klugen Gedanken und einer besseren Zukunft beschäftigen wollen.

Wie habt ihr den Prozess des Gründens erlebt?
Antonia: Das fragen auch wir uns immer wieder. So ganz einfach ist eine nachhaltige Unternehmensgründung ja nie – egal ob für Frau oder Mann. Allerdings haben auch wir schon die Erfahrung gemacht, dass Frauen auf ganz andere Widerstände stoßen. Das fängt damit an, wenn unser Gegenüber versucht uns einzuschätzen, uns in Schubladen zu stecken. Wir können gar nicht mehr zählen, wie oft automatisch davon ausgegangen wird, dass wir als Freundinnen unser Unternehmen gegründet haben – ob nun von Banken, Dienstleistern oder Kunden. Die Wahrheit ist: Wir kannten uns vorher nicht und haben über dieselbe Geschäftsidee zueinander gefunden, die wir völlig getrennt voneinander hatten. Dass die Chemie zwischen uns so stimmt, ist reines Glück. Trotzdem werden wir mit Fragen und Annahmen konfrontiert, die man bei rein männlichen Gründungsteams wohl niemals stellen würde. Neulich mussten wir in einem Geschäftstermin klarstellen, dass wir nicht zusammen wohnen. Das ist dann schon ziemlich schräg.

In sozialen Medien wird immer wieder diskutiert, dass es nur wenige Autorinnen gibt, die beachtet werden. Viel häufiger werden Bücher männlicher cis-Autoren zu Trends. Wie steht ihr zum Thema Gender in der Verlagsbranche?
Shila: Das stimmt ja auch. Frauen und BIPoC werden weniger gehört, weil die Gatekeeper noch immer vor allem männlich und weiß sind. Und wenn, dann ist die Botschaft stets die der Opferrolle, die genau diese Ausgrenzung thematisieren soll. Das müssen wir ändern! Ich finde übrigens am schlimmsten an dieser Debatte den Begriff von „eine Stimme geben“ – verdammt, die Stimmen waren die ganze Zeit da, nur wurde entschieden, sie nicht anzuhören. Aber ich denke gleichzeitig, dass der Weg nicht sein sollte, neue ausgrenzende Gedankenmuster aufzubauen, sondern gleiche Zugänge und unvoreingenommene Sichtbarkeit vehement einzufordern. Gerade in der Literatur! Wie sonst könnten wir selbst unseren eigenen Horizont erweitern? Bestimmt nicht, indem wir uns immer nur die Menschen anhören, die genauso sind wie wir selbst.
Antonia: Wir können uns das nur so erklären, dass die kommerzielle Verlagsbranche zu stark in Genren denkt. Zum Beispiel männliche Politik-Sachbücher, weibliche Frauenromane etc. Dass dieses Denken nun auch Geschlechtsidentitäten zu kategorisieren versucht, lehnen wir natürlich ab, aber das ist wohl leider (noch) symptomatisch für den Buchmarkt. Wir sind mit BESHU BOOKS zum Glück frei davon – und auch unabhängig von dem was der jetzige Markt einfordert. Unser Vorgehen ist ein ganz anderes.

Euer Grundsatz ist es, hochwertige Publikationen mit 120-130 Seiten zu veröffentlichen, die man in etwa 90 Minuten durchlesen kann. Wie seid ihr auf diesen Richtwert gekommen und warum habt ihr euch darauf fokussiert?
Shila: Wir befinden uns nicht mehr im digitalen Wandel, sondern bereits in der Ära danach. Wir konnten feststellen, dass sich nicht der Konsum, also das Kaufen von Büchern so stark verändert hat, sondern unser Leseverhalten. Und das hängt stark mit unserer Aufmerksamkeitsspanne zusammen. Diese ist drastisch zurückgegangen, weil sich unser Gehirn an die schnellen, digitalen Impulse gewöhnt hat.

Eure Publikationen sollen originell sein und den Zeitgeist treffen. Welche Rolle haben Bücher für euch in der Gesellschaft?
Shila: Oh – wo soll ich nur anfangen? Bücher sind Zuflucht, Heilung und immer ein sicherer Ort. Nach dem hyper digitalisierten Jahr 2020 sind sie obendrauf noch das Wellness-Programm für unser Gehirn. Oder hat irgendjemand Lust, bald die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfisches zu haben, weil wir nur noch an digitale Impulse gewöhnt sind? Dass Bücher thematisch den Zeitgeist treffen, das nehmen sicherlich auch viele andere VerlegerInnen für sich in Anspruch. Bei uns ist das Produkt selbst eines der heutigen Zeit: Unsere Bücher lassen sich mit 140 Seiten Umfang in etwa 90 Minuten durchlesen, in etwa der Länge eines Spielfilms also. Sie sind so konzipiert und gestaltet, dass sie ein angenehmer, ästhetischer Begleiter sind und niemals hässlich strafend vom Nachttisch aus herüberblicken. Und zu guter Letzt: Wichtig sind für uns auch die Zielgruppen. Nie gehen wir davon aus, dass ein Buch für alle relevant sein muss. Je mehr wir die Bedürfnisse einer bestimmten Fragestellung kennen, desto besser funktionieren unsere Bücher.

Mit Buchläden verbindet Besucher*innen oft Gefühle – sie sind ganz besondere Orte. Was soll euer Buchladen vermitteln?
Antonia: Als Verlagsbuchhandlung führen wir zum Urkonzept einer Buchhandlung zurück. Hinten wird produziert, vorn wird verkauft. Bei uns können Besucher*innen genau daran teilnehmen. Und genauso hat unser Laden dieses Tröstliche, Warme und Inspirierende, das alle gut gemachten Buchläden mit sich bringen.

Was ist das schönste am Gründen?
Antonia: Ein Projekt wachsen zu sehen.
Shila: BESHU war unser Baby und wird nun langsam zum Teenager, der unabhängiger von uns wird und seine Sturm und Drang Phase erlebt. Das ist total spannend.

Welche Bücher liegen bei euch gerade auf dem Nachttisch?
Antonia: Ein wilder Mix von etwa fünf Büchern aus Fiction und Non-Fiction, ein Gedichtband ist immer dabei. Ich mag es, in unterschiedlichen literarischen Epochen zu lesen.

Welche ist eure liebste Schriftstellerin und wieso?
Shila: Da gibt es natürlich nie die eine. Aber auf jeden Fall Stimmen, die mich stark geprägt haben. Dazu zählen Simone de Beauvoir, Joan Didion, die persische Dichterin Tahirih, Chimamanda Ngozi Adichie.

Danke für das schöne Interview!

Ihr wollt noch mehr von Shila und Antonia erfahren? In der Beshu Books Wunschliste in der Klarna App findet ihr die fünf liebsten und einflussreichsten feministischen Bücher der beiden Geschäftspartnerinnen.

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