25. Sept. 20206 Minute/n Lesedauer

Von High Heels und Safe Spaces – Stylist Fabio Pace spricht mit uns über Ballroom, Styling und Chancenungleichheit

von Giulia Ricci

Ballroom Events sind en vogue(ing)! Besonders in den deutschen Großstädten sind die pompösen, atemberaubenden Veranstaltungen (Achtung, nicht nur den Tänzer*innen bleibt hier die Luft weg!) mittlerweile bekannter und beliebt. Um die Ballroom Szene zu zelebrieren, vor allem aber auch, um auf die weiterhin anhaltenden gesellschaftlichen Missstände und bestehende Diskriminierung aufmerksam zu machen, haben wir ein Projekt mit verschiedenen Creatives und Tänzer*innen der BIPoC und LGBTQIA+ Community ins Leben gerufen. Das Styling der Produktion hat Fabio Pace, Stylist und selbst Mitglied der Ballroom Community, übernommen. Wir haben die Gelegenheit genutzt und Fabio ein paar Fragen gestellt.

  1. Fabio, bitte gib uns ein paar Infos zu deinem Hintergrund als Stylist: Wie bist du zu dem Job gekommen und was magst du an ihm besonders?
    Ich wusste schon mit 13 Jahren, dass ich Stylist werden möchte. Ich wusste nur noch nicht wie. Nach dem Abi habe ich dann direkt angefangen, Modejournalismus & Medienkommunikation zu studieren und habe anschließend ein Praxissemester bei einem Modemagazin gemacht. Aus drei Monaten wurden sechs, aus der Praktikantenrolle wurde dann die Modeassistenz und wenig später dann die Rolle des Fashion Editors. Das hat alles ins Rollen gebracht.
    Ich mag besonders an meinem Job, dass er so vielfältig ist und dass ich die Möglichkeit habe, mit so vielen tollen Persönlichkeiten an einem Set zu sein.
  2. Wie beeinflusst die Ballroom Szene die Fashion Szene und umgekehrt?
    Die Ballroom Szene hat bestimmt 70% der gesamten Mode inspiriert. Dadurch, dass die Community in den 80er / 90er Jahren nicht wirklich die finanziellen Mittel hatte, um sich ein teures Outfit zu kaufen, wurde improvisiert. Man musste also aus fast nichts etwas Großes zaubern, da man ja auch den Kategorien des Balls gerecht werden wollte. Ballroom ermöglicht den Menschen, ihre tollsten und opulentesten Fantasien und Kreativität auszuleben. Was dabei herauskam, war für viele Designer eine große Inspirationsquelle.
    Heutzutage hat sich das ganze etwas verändert, was aber auch daran liegen kann, dass die Mode generell nicht mehr so spannend ist wie früher. Durch Streetwear ist sie einfach nicht mehr ganz so opulent.
  3. Was bedeutet Mode für dich?
    Über diese Frage musste ich ein wenig nachdenken. Mode ist meine größte Leidenschaft, die zum Beruf gemacht habe. Daher betrachte ich Mode nochmal aus einem anderen Blickwinkel. Generell finde ich aber vor allem den Aspekt toll, dass Mode Menschen ein tolles Gefühl gibt. Ein tolles Outfit kann dir schon direkt mehr Selbstbewusstsein geben. Zudem finde ich es inspirierend, wie ein Mensch durch Mode und Bekleidung einen Teil seiner Identität in die Gesellschaft bringen kann.
  4. Wie unterscheiden sich die Ballroom Houses hinsichtlich des Stylings?
    Das kann man nicht ganz genau beantworten, aber die Fathers und Mothers geben schon eine gewissen Ästhetik vor in der Art und Weise wie sie für ihre Houses rekrutieren. Bei Häusern mit einer längeren Geschichte haben sich oft im Laufe der Zeit gewisse Stile gebildet, die dann in moderner Form neu interpretiert werden können.
  5. Welche 3 Style-Pieces sind die Evergreens der Community?
    Heels, Heels & Heels. Sei es Sock-Heel oder Overknee-Stiefel!
  6. Wie stylen sich die Tänzer*innen für die verschiedenen Voguing Kategorien?
    Das kommt immer ganz darauf an, was das Thema des Balls ist und was jede einzelne Kategorie für Beschreibungen hat. In der Regel gibt es nämlich für jede Kategorie ein Einzelthema. Das heißt, man muss z.B. einen roten Look tragen, Blumen in sein Outfit einbringen oder ähnliches.
  7. Welche sind deine Lieblings Categories im Ballroom und wieso?
    Ich persönlich habe angefangen Vogue Femme zu trainieren und arbeite auch immer noch daran. Im Laufe der Zeit habe ich aber herausgefunden, dass ich lieber Mode und Runway-Kategorien laufe – natürlich. Aber abseits meiner eigenen Kategorien liebe ich basically alle Femme Queen Kategorien. So nennen wir in Ballroom unsere Transsexuellen Frauen. Femme Queen Face macht mich besonders glücklich, wenn ich sehe, wie wir die Schönheit dieser tollen Frauen zelebrieren.
  8. Welche Beziehung hast du persönlich zu Ballroom und was bedeutet es für dich?
    Seit mehreren Jahren gehe ich schon zu verschiedenen Balls, aber aktiv laufe ich erst seit November 2019. Selbst in dieser kurzen Zeit habe ich so viel gelernt und über mich erfahren. Vor allem hinsichtlich der Frage was Genderformen sind und wie man sie auslebt. Zudem habe ich eine Gruppe von Menschen kennengelernt, die mich tagtäglich inspirieren, durch ihren Kampf, ihre Ideen und Leidenschaft.
  9. Welche gesellschaftliche und politische Relevanz schreibst du Ballroom zu?
    Ballroom ist Politik. Ballroom wurde in den 60er Jahren von afroamerikanischen und lateinamerikanischen Transfrauen und Drag Queens aus einer Unterdrückung gegründet. In einer weißen, heteronormativen Gesellschaft gab es keinen Platz für sie. Tagtäglich wurden – und leider werden – sie mit Rassismus, Chancenungleichheit und Queerfeindlichkeit konfrontiert. Ballroom ist ein Safespace. Auch heute noch. Und in dem Kampf gegen Diskriminierung ist Ballroom ein ganz wichtiger Teil.
  10. Was wünscht du dir für die Zukunft für die Community?
    Ich wünsche mir für die Zukunft der Community, dass unsere (transsexuellen) BPOC’s und POC’s irgendwann ihre Wohnungen verlassen können ohne Angst zu haben. Die Straßen betreten können ohne sich darüber zu sorgen, was ihnen heute wieder passieren wird. Eine Zukunft ohne Angst vor Diskriminierung und Gewalt. Black Lives matter. Black, Trans Lives Matter. Und das jeden Tag!

Vielen Dank, Fabio!

 

Ihr seid neugierig geworden auf die Styles der Ballroom Szene? Fabio hat uns hier die Must-Haves der Produktion für jedes Ballroom Event zum nachshoppen und -stylen zusammengestellt.

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